In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein eine immer größere Rolle spielen, gewinnt der Wandertourismus als umweltfreundliche Reiseform zunehmend an Bedeutung. Wandern bietet nicht nur die Möglichkeit, sich in der Natur zu erholen und körperlich zu betätigen, sondern trägt auch maßgeblich zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus bei. Wie und warum, wollen wir hier beleuchten in einer Art Plädoyer für attraktive Wanderwege.
„Wandern ist Gehen in der Landschaft. Dabei handelt es sich um eine Freizeitaktivität mit unterschiedlich starker körperlicher Anforderung, die sowohl das mentale als auch das physische Wohlbefinden fördert...“ Diese Definition wurde 2010 im Rahmen einer Nationalen Wanderstudie des Deutschen Wanderverbandes (DWV) entwickelt. Vom Spaziergehen unterscheidet sich das Wandern durch seine Dauer, eine entsprechende Planung, die passende Ausrüstung und die Nutzung spezifischer Infrastruktur. Letzteres ist die Basis für das Wandern in Deutschland: markierte Wanderwege. Davon gibt es geschätzt rund 300.000 km in Deutschland, die zu etwa zwei Dritteln durch die Mitgliedsorganisationen im Deutschen Wanderverband gepflegt werden.
Markierte Wanderwege lenken die Wandernden auf meist attraktiven Routen, die vorab mit dem Naturschutz und den Eigentümern abgestimmt sind, und sorgen damit dafür, dass die meisten Menschen auf diesen markierten Wanderwegen bleiben. Dies schützt die Flora und Fauna und minimiert die menschlichen Eingriffe in sensible Naturgebiete. Der Lenkungseffekt ist umso größer, je attraktiver eine Route ist. Zertifizierten Wanderwegen, die den „Qualitätswegen Wanderbares Deutschland“ entsprechen, kommt hier eine besondere Rolle zu. Sie sind abwechslungsreich, haben einen hohen Erlebniswert und sind so gut ausgeschildert, dass sie quasi „unverlaufbar“ sind.
Wandernde, die sich auf markierten Wegen bewegen, haben ein hohes Interesse an regionalen Produkten wie Speisen und Getränken. Sie nutzen häufig lokale Unterkünfte und Gastronomiebetriebe. Dies stärkt die lokale Wirtschaft, schafft Arbeitsplätze und unterstützt kleine Unternehmen in ländlichen Gebieten. Markierte Wanderwege bieten eine nachhaltige Einnahmequelle für die lokale und regionale Wirtschaft und fördern die regionale Entwicklung. Wanderwege können in vielen Regionen fast das ganze Jahr über genutzt werden. Wandertourismus ist nicht so anfällig für saisonale Schwankungen.
Die Infrastruktur für markierte Wanderwege ist im Vergleich zu anderen touristischen Angeboten minimal und verursacht daher weniger Eingriffe in die Natur. Die Hauptanforderungen umfassen Markierungen, Wegweiser und gelegentliche Rastplätze. Besonders beliebt sind schmale und naturnahe Pfade und Wege mit minimaler Flächenversiegelung und geringer Bodenverdichtung. Der ideale schmale Wanderweg stellt keine unüberwindbare Barriere für eine diverse Fauna und Flora dar.
Entlang von Wanderwegen lernt man ständig dazu. Markierte Wanderwege sind oft mit Informationstafeln ausgestattet, die Wanderer über die lokale Flora, Fauna und Geologie oder weitere Besonderheiten informieren. In seiner Naturportstudie von 2019 konnte der Deutsche Wanderverband nachweisen, dass das Bewusstsein für Umwelt- und Klimaschutz bei Wanderern und anderen Natursporttreibenden überdurchschnittlich hoch ausgebildet ist. Wenn ich die Natur oder unsere Kulturlandschaft kennenlerne, fällt es mir auch leichter, mich dafür einzusetzen und mich adäquat zu verhalten. Das Wandern fördert ein nachhaltiges Naturverständnis und einen gesunden Lebensstil. Insbesondere im Zusammenhang mit geführten Wanderungen durch gut ausgebildete DWV-Wanderführer*innen® wird der Kontakt zur regionalen Bevölkerung und zum lokalen Wissen leicht hergestellt, und es wird quasi nebenher lokales Wissen vermittelt
Also alles gut? Fast! Der Knackpunkt beim Wandern ist die An- und Abreise. Über 80 % der Wandernden reisen in Deutschland mit dem Auto an. Die seit den 60er Jahren entstandenen Wanderparkplätze mit ihren Rundwanderwegen sind Zeugnis und Teil dieser Entwicklung. Immerhin: Wandern im Schwarzwald, Harz oder in der Eifel – selbst bei Anreise mit dem Auto – sind beim ökologischen Fußabdruck immer besser als Heli-Hiking in Neuseeland oder in den Anden. Aber es tut sich auch etwas hierzulande. Die ÖPNV-Zugänglichkeit vieler Wanderwege ist besser als vermutet, die Informationen entlang von Wanderwegen werden besser. Auf wanderbares-deutschland.de können bei jeder Etappe, bei Wandergastgebern oder Sehenswürdigkeiten die Abfahrtszeiten der Bushaltestellen und Bahnhaltepunkte in Echtzeit abgerufen werden. Auch das Deutschlandticket hat, wenn auch für viele zu teuer, der ÖPNV-Nutzung beim Wandern zumindest einen neuen Impuls gegeben. Hier ist aber noch Luft nach oben.
Durch die Kombination dieser Faktoren tragen markierte Wanderwege entscheidend zu einer nachhaltigen touristischen Infrastruktur bei. Sie fördern den Naturschutz, unterstützen die lokale Wirtschaft, bieten Bildung und Erholung, benötigen minimale Infrastruktur, fördern umweltfreundlichen Transport und bieten ganzjährige Nutzungsmöglichkeiten.
Dennoch sind die Folgen des Klimawandels jetzt schon auf vielen Wanderwegen sichtbar: Kahlflächen im Wald nach Sturmschäden und Borkenkäferbefall, beschädigte Brücken nach Starkregenphasen oder einfach komplett zerfahrene Wege. Die Einschläge kommen näher. Der Deutsche Wanderverband führt aktuell ein Projekt durch, das sich mit den Folgen des Klimawandels auf die Qualität von Wanderwegen auseinandersetzt. Ziel ist es, das Wanderangebot resilienter zu gestalten und die Infrastruktur zukunftssicher zu planen. Nachhaltigkeit spielt auch hier eine wesentliche Rolle.
Was sagt uns das alles? Egal ob Halbtages- oder Tagestour, mehrtägige Wanderungen von Trekkingplatz zu Trekkingplatz oder sogar Langstreckenwanderungen auf europäischen Fernwanderwegen: Das Wandern in Deutschland ist ein echter Faktor im Tourismus und erfordert gleichzeitig nur geringe infrastrukturelle Eingriffe und Investitionen. Die Wandernden, auch wenn es in Deutschland je nach Befragung zwischen 40 und 60 Millionen Menschen sind, hinterlassen einen vergleichsweise geringen ökologischen Fußabdruck. Wandern ist Baustein und Motor für einen nachhaltigen Tourismus. Aber es gibt auch noch was zu tun.