Digitales Naturraum-Informationssystem auf Open Source Basis

Als Markus Scheidt 2013 als Naturparkbetreuer startete, war die Situation herausfordernd: Rund 600 km Wanderwege mussten betreut werden – ohne aktuelle digitale Datengrundlage, ohne vollständiges Beschilderungskataster und ohne Ortskenntnisse. Viele Informationen lagen nur in den Köpfen Einzelner oder analog und zum Teil fehlerhaft vor. Zudem erschwerte eine hohe Abhängigkeit von externen Dienstleistern (z. B. für Schilderdaten) die schnelle Umsetzung kleiner Maßnahmen. Auch die Abstimmung zwischen Forst, Eigentümer*innen und Tourismusakteur*innen verlief nicht reibungslos.

Die ersten Versuche mit bestehenden Programmen blieben erfolglos – zu kompliziert, unflexibel, keine Offline-Nutzung im Gelände. QGIS bot zwar das nötige Potenzial, war aber in der Anwendung zu komplex. Die Lösung kam in Form einer Kooperation mit dem GIS-Dienstleister map-site.de Geoinformatik. In enger Abstimmung wurde auf Basis von QGIS ein an die Bedürfnisse des Naturparks angepasstes, modulares System entwickelt: das NIS – Naturraum-Informationssystem. Ziel war eine praxistaugliche, offene, nutzerfreundliche Lösung, die auch von Personen ohne tiefgehende GIS-Kenntnisse genutzt werden kann. Im Mittelpunkt stand der Wunsch, Aufgaben wie Wegepflege, Infrastrukturverwaltung, Verkehrssicherung, Dokumentation und Beschilderungsplanung digital, übersichtlich und rechtssicher zu verwalten – sowohl im Büro als auch mobil im Gelände. Dafür sind alle amtlichen Geodaten sowie Schutzgebiete, Rettungspunkte, hochaufgelöste Geländemodelle und OSM-Daten in NIS enthalten und offline verfügbar.

Mit NIS können Wege und POIs direkt vor Ort per Tablet aufgenommen und mit Fotos, Zustandsberichten und Geodaten ergänzt werden. Die automatische Standortbestimmung ordnet Informationen sofort dem richtigen Flurstück, der Gemeinde oder dem Wegenetz zu. Kontrollintervalle (z. B. für Verkehrssicherung) werden farblich nach Fälligkeit gekennzeichnet, Aufgaben können bestimmten Mitarbeitenden oder Ehrenamtlichen zugewiesen werden. Die Darstellung ist intuitiv, die Datenhaltung offen und über standardisierte Formate (z. B. GeoPackage) austauschbar. Zudem können auf Knopfdruck Schilderpläne, Karten, Kontrollprotokolle und Mängelberichte generiert werden.

Ein besonders praxisnahes Feature ist der integrierte Schildergenerator: Auf Grundlage der gepflegten Wege und POIs können Zielwegweiser mit Richtungs- und Entfernungsangaben automatisch erstellt werden – inklusive Piktogrammen, Zielen, Kilometrierung und Zuordnung zu Wanderwegen. Auch Sperrungen und Umleitungen lassen sich schnell anlegen, exportieren und druckfertig weiterverarbeiten.

Der Einsatz von NIS führte nicht nur zu einer deutlich verbesserten Übersicht über das Wegenetz, sondern auch zu mehr Effizienz in der täglichen Arbeit: Wegpatenschaften, Mängelmanagement, Kontrollzyklen und Instandhaltung können heute gezielt geplant und nachverfolgt werden. Gleichzeitig bleibt das System offen für weitere Module und Anpassungen – ganz im Sinne des Open-Source-Gedankens. Den besonders wertvoll an NIS ist die Datensouveränität und die Offenheit des Systems:

• die Daten gehören einem selbst
• die Daten sind auch von anderen Programmen verwendbar
• die Daten sind lokal oder optional auf einer DSGVO-konformen Cloud gespeichet

Inzwischen nutzen fünf weitere Naturparks das NIS, wodurch kontinuierlich Vorschläge für neue Funktionen und Optimierungen in das System eingebracht werden. Die Module werden von map-site in enger Abstimmung mit den Naturparks entwickelt und können dann von allen beteiligten Naturparken freigeschaltet werden. So entwickelt sich das NIS ständig weiter und die Naturparke profitieren gegenseitig.

Kernfunktionen:

• Wege- & Routenmanagement: Anlegen, bearbeiten und klassifizieren von Wander- und Radwegen
• Infrastrukturpflege: Digitale Erfassung, Wartung und Dokumentation von Infrastruktur (z. B. Bänke, Schilder, Tafeln)
• POI-Verwaltung: Verwaltung sehenswerter Orte mit Symbolen, Bildern & Beschreibungen
• Verkehrssicherung: Kontrolle und Protokollierung mit automatischer Fristenüberwachung
• Beschilderung: Automatische Erstellung und Verwaltung von Zielwegweisern inkl. Entfernungsberechnung
• Pflegeorganisation: Zuweisung von Aufgaben an Teams oder Ehrenamtliche, Verwaltung von Patenschaften
• Sperrungen & Umleitungen: Kartieren und Ausgeben temporärer Sperrungen und Umleitungen
• Kartenausgabe & Datenexport: Erstellung von Karten, Protokollen und GPX-/KML-/PDF-Dateien

• Naturpark Lahn-Dill-Bergland, map-site (Entwicklung & Support)
• Naturpark Hessische Rhön
• Naturpark Knüll
• Geo Naturpark Frau Holle Land
• Naturpark Kellerwald-Edersee
• Naturpark Habichtswald
• Rochlitzer Muldental

• Datenhoheit gesichert: NIS ermöglicht eigenständige Anpassungen – unabhängig von Dienstleistern. Denn die Daten gehören einem selbst und sind lokal gespeichert.
• Offene Systeme lohnen sich: Open Source und Standards fördern Austausch und Weiterentwicklung, denn die Daten sind auch von anderen Programmen verwendbar und können optional auf einer DSGVO-konformen Cloud gespeichert werden.
• Stammdatenqualität ist zentral: Strukturierte und verlässliche Daten sind die Basis für gutes Arbeiten.
• Automatisierung mit Augenmaß: Manuelle Kontrolle verhindert Fehler wie doppelte Einträge.
• Technisches Verständnis hilft: Grundkenntnisse in Datenbanken und Systemlogik erleichtern die Arbeit mit NIS.
• Schulung zahlt sich aus: Gute Einarbeitung ist entscheidend für den Projekterfolg.
• Ortskenntnis bleibt wichtig: Digitalisierung ersetzt nicht den Abgleich im Gelände – z. B. bei Wegen und Schildern.