Der Streit um den Wald – Waldbezogene Konflikte verstehen
Streiten lässt sich über vieles – bisweilen auch über den Wald. Die Gründe, warum es in Bezug auf den Wald zu Konflikten kommt, sind zahlreich. An kaum einen anderen Ort werden so viele Ansprüche und Interessen herangetragen wie an den Wald. Menschen nutzen ihn, um zur Ruhe zu kommen, sich zu erholen und Natur zu erfahren. Er bietet Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Er ist Arbeitsplatz und Wirtschaftsraum. Vielen sichert er das Lebenseinkommen.
Klimabedingte Veränderungen des Waldes, die sich durch Dürren, Stürme und Extremwetter äußern, haben das Waldbild deutlich gezeichnet. Egal, ob Erholungsuchende oder Forstleute – Menschen sorgen sich um den Wald (siehe auch „Mensch-Wald-Monitor“ der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW). Auch Privatpersonen engagieren sich für den Wald und fordern ein Recht auf Mitsprache und Mitgestaltung, wenn es um den Umgang mit den Wäldern geht.
Dabei gibt es verschiedene Sichtweisen, wie der "richtige" Umgang mit unseren Wäldern auszusehen hat. Unsere Wälder unterliegen einem rasanten Wandel und ebenso dynamisch gestalten sich die damit einhergehenden fachlichen Debatten. Sie beziehen sich auf Fragen danach, wie unsere Wälder geschützt und bewirtschaftet werden sollen, um sie für die Zukunft zu erhalten, welche Maßnahmen hierbei sinnvoll sind und wie sich die vielen verschiedenen Interessen in Bezug auf den Wald miteinander vereinbaren lassen. Manche setzen beispielsweise eher auf einen aktiven und zügigen Waldumbau, andere auf ein langfristig angelegtes, sich weitgehend selbst organisierendes Ökosystem Wald. Vor dem Hintergrund des Klimawandels und den damit zusammenhängenden Veränderungen des Waldes ist das Thema im öffentlichen Bewusstsein angekommen und wird damit auch in den Medien verstärkt aufgegriffen. Die medial meist sehr verkürzte und zugespitzte Darstellung der unterschiedlichen Ansichten tragen oftmals zu einer Verschärfung der Debatte bei. Die Komplexität, die Entscheidungen rund um Waldbewirtschaftung und -schutz zugrunde liegt, wird in der Kürze der medialen Darstellung kaum Beachtung geschenkt und ist für die Konfliktbeteiligten oftmals schwer zu durchschauen – zumal es sich dabei nicht ausschließlich um fachliche Kontroversen handelt. In die Auseinandersetzungen fließen immer auch die unterschiedlichen Bedürfnisse, Interessen und Werte der Beteiligten ein, die in den Konflikten oftmals jedoch kaum berücksichtigt werden.
Erschwerend kommt hinzu, dass nicht nur Privatpersonen, die sich beispielsweise in waldbezogenen Bürgerinitiativen organisieren und Forstleute an derlei Konflikten beteiligt sind, sondern auch viele andere Institutionen und Personen (z. B. Kommunen als Waldbesitzende oder Naturschutzverwaltungen). Oftmals sind es jedoch erst genannte Personengruppen, die in den Konflikten aufeinandertreffen und sich miteinander auseinandersetzen müssen.
Leider wird ein konstruktiver Austausch zwischen den Beteiligten dabei oft durch gegenseitiges Misstrauen, mangelnde Wertschätzung und ein fehlendes Verständnis für die Sichtweisen des Gegenübers erschwert. Bürgerinitiativen kritisieren zudem eine mangelnde Transparenz seitens der Forstverwaltung hinsichtlich forstlicher Maßnahmen im Wald und deren Kommunikation. Oft besteht auch der Eindruck, dass wirtschaftliche Interessen über dem Schutz und dem Erhalt des Waldes stehen, während Forstleute jedoch die Notwendigkeit einer nachhaltigen Bereitstellung von lokalem Holz betonen. Umgekehrt sind auch für Forstleute die Beweggründe der Bürgerinitiativen für ihren Protest nicht immer nachvollziehbar. Denn auch Förster*innen sorgen sich um den Wald und verstehen es als ihre Aufgabe, diesen zu pflegen, zu schützen und zu bewahren. All dies führt dazu, dass sich Konflikte eher verhärten als auflösen.
Waldbezogene Konflikte sind komplex, sodass sich hier kein umfassendes Bild ihrer Entstehungsgründe und eskalierenden sowie deeskalierenden Faktoren zeichnen lässt.
Deutlich wird jedoch, dass ein konstruktiver Dialog für eine zukunftsfähige und akzeptierte Waldbewirtschaftung unerlässlich ist und der einen wertschätzenden Umgang miteinander, Verständnis für die Sichtweisen des Gegenübers sowie die Anerkennung anderer Meinungen – auch über vermeintliche „Fronten“ hinweg – ermöglicht.
Links und Downloads:
Wie dieser Dialog aussehen kann, welche weiteren Ansätze es für den konstruktiven Umgang mit waldbezogenen Konflikten gibt und was die Hintergründe dieser Auseinandersetzungen sind – dem widmet sich eine wachsende Zahl wissenschaftlicher, praxisorientierter Projekte der Stabsstelle Gesellschaftlicher Wandel der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA):
- Broschüre "Der Streit um den Wald"
- Handreichung „Über Wald ins Gespräch kommen – gelingende Waldführungen im Klimawandel" (PDF, 1 MB)
- Webseite zum Projekt „Waldeslust statt Waldesfrust! Grundlagen für einen konstruktiven Dialog in waldbezogenen Konflikten“
- Webseite zum Projekt "Kontrastiv. Über Wald Reden."
- Hintergrund zum Projekt "Kontrastiv. Über Wald Reden."
- Webseite zum Projekt „Wahrnehmung klimabedingter Waldveränderungen durch die Bevölkerung“
Dieser Text ist ein Beitrag der Stabsstelle Gesellschaftlicher Wandel der FVA Baden-Württemberg.