Das Wandern über weite Distanzen am Stück erfreut sich immer größerer Beliebtheit: Wander-Marathons, 12- bzw. 24-Stunden-Wanderungen und ähnliche Formate locken zahlreiche Menschen hinaus auf die Wanderwege. In diesem Artikel möchten wir uns das Phänomen Ultrawandern einmal näher ansehen. Wir lassen erfahrene Ultrawandernde zu Wort kommen und beleuchten, warum das Thema auch für Wandervereine interessant sein kann.

  • Wir verwenden die Bezeichnung Ultrawandern in diesem Artikel als Sammelbegriff für Wanderungen von bis zu 170 Kilometern am Stück – diese Strecke gibt es real zum Beispiel auf dem Rennsteig in Thüringen. Alternativ werden auch Begriffe wie Langstreckenwandern oder Sportwandern verwendet. Eine einheitliche Bezeichnung zu finden, ist nicht leicht und es gibt verschiedene Argumente, die für oder gegen einzelne Begriffe sprechen. Der Einfachheit halber greifen wir in diesem Artikel auf die Bezeichnung Ultrawanderungen zurück.

     

    Ultrawanderungen gehen über das Tagespensum üblicher Wanderungen hinaus und sind dementsprechend deutlich anspruchsvoller. Oft sind sie mit einer höheren Gehgeschwindigkeit verbunden. Während Wandernde normalerweise etwa 4 Kilometer in einer Stunde schaffen, sind es bei Ultrawandernden nicht selten 5 km/h oder mehr.

     

    Häufig finden Ultrawanderungen in Form von (professionell oder ehrenamtlich organisierten) Veranstaltungen mit der entsprechenden Infrastruktur (Start- und Ziellinie, Versorgungsstationen, etc.) statt. Bei einigen dieser Veranstaltungen gibt es zudem eine Zeitmessung und ein Ranking; dann steht bei manchen Teilnehmenden der Wettkampfcharakter im Vordergrund. Ob es sich um eine Veranstaltung mit Zeitmessung und Ranking handelt, geben Veranstalter*innen in der Regel in ihren Ausschreibungen bekannt. Unabhängig davon gibt es jedoch oft einen bestimmten Zeitrahmen, in dem die Strecke gewandert werden muss, zum Beispiel 50 km in 12 Stunden oder 100 km in 24 Stunden.

Gut vorbereitet zur Ultrawanderung

Grundsätzlich gilt: Solange keine ernstzunehmenden medizinischen Einwände dagegensprechen, ist Ultrawandern ein Sport, der allen offen steht – ganz unabhängig vom Alter oder von bisher gesammelten Erfahrungen. Dadurch, dass die zu wandernde Distanz an das eigene Fitnesslevel angepasst werden kann, ist Ultrawandern für Neulinge ebenso wie für erfahrene Wandernde spannend. Wichtig ist jedoch, sich ausreichend vorzubereiten! Wer unvorbereitet an den Start geht, riskiert im besten Fall Frust und im schlimmsten Fall Verletzungen. Um das zu vermeiden, ist es sinnvoll ausreichend Zeit für das Training einzuplanen, genau zu testen, was an Ausrüstung und Verpflegung benötigt wird und sich auch mental auf die kommende Herausforderung vorzubereiten. Michael Martin-Leck, Erster Vorsitzender des Hessisch-Waldeckischen Gebirgs- und Heimatvereins und selbst begeisterter Ultrawanderer, fasst es gut zusammen: „Beim Ultrawandern gilt: Alles zu seiner Zeit in seiner richtigen Reihenfolge!“

„Beim Ultrawandern gilt: Alles zu seiner Zeit in seiner richtigen Reihenfolge!“
Michael Martin-Leck (HWGHV)
Michael Martin-Leck, Erster Vorsitzender des Hessisch-Waldeckischen Gebirgs- und Heimatvereins

Wer Lust hat an einer Ultrawanderung teilzunehmen, findet in hier umfangreiche Informationen zur Vorbereitung. Neben praktischen Tipps für das körperliche Training und einer Liste wichtiger Ausrüstungsgegenstände enthält er auch Anregungen, wie mental mit den Herausforderungen einer Ultrawanderung umgegangen werden kann.

Sportlich herausfordernd und doch ein Genuss – der Reiz des Ultrawanderns

„Ultrawandern ist für mich Genuss-Wandern!“ – so fasst es Walter Sittig in Worte. Der ehemalige Geschäftsführer des Deutschen Wanderverbands weiß, wovon er spricht, denn er ist seit über zehn Jahren begeisterter Langstreckenwanderer und regelmäßig bei Ultrawanderveranstaltungen dabei. Früher hat er an zahlreichen Stadt-Marathonläufen teilgenommen; seit 2009 hat er über 260 Ultra- bzw. Landstreckenwanderungen unternommen. Unter anderem ist er schon drei Mal beim Wander-Event Extrem Extrem im nordhessischen Willingen die 160 km gewandert und wurde bei der inoffiziellen Wanderweltmeisterschaft am 05./06. Mai 2018 auf dem Rennsteig Vize-Weltmeister. Dort galt es 170 km zu wandern. Das Erzielen von Bestzeiten steht für ihn jedoch keinesfalls an erster Stelle. Zwar sei es eine tolle Erfahrung, als einer der ersten am Zielpunkt anzukommen, doch viel wichtiger sei die persönliche gute Erfahrung, solch eine Strecke letztendlich problemlos geschafft zu haben. Der Spaß an der Bewegung in der Natur, die Gemeinschaft mit gleichgesinnten Wanderbegeisterten, gemütliches Rasten bei guter Verpflegung – all das macht für Walter Sittig den Reiz des Ultrawanderns aus. Außerdem nutzt er diesen Sport, um sich fit zu halten. Regelmäßiges, anspruchsvolles Wandern eignet sich hervorragend, um etwas für die eigene Fitness zu tun und auch mit zunehmendem Alter mobil zu bleiben.

 

Auch Michael Martin-Leck begeistert sich für das Sportwandern – wie er es selbst nennt – und hat bereits an mehreren Wander-Events teilgenommen. Unter anderem ging er beim Edersee Wandermarathon an den Start und erwanderte dort eine Distanz von 84 km. Auch beim Bödefelder Hollenmarsch war er schon dabei, um die Distanz von 101 Kilometern zu knacken. Leider, so berichtet er, musste er gesundheitsbedingt vorzeitig abbrechen, doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Der Spaß am Wandern über weite Distanzen und die sportliche Herausforderung – das macht für Michael Martin-Leck den Reiz des Ultrawanderns aus. Diese Form des Wanderns, so sagt er, sei eine tolle Möglichkeit, um über sich selbst hinauszuwachsen und sich persönlich weiterzuentwickeln. Er habe oft erlebt, wie Menschen das Ultrawandern für sich entdeckt haben und dann Distanzen gewandert sind, die sie sich selbst gar nicht zugetraut hatten. Der Funke, der Menschen endgültig für das Ultrawandern begeistere, springt seiner Erfahrung nach oft über, wenn sie zum ersten Mal eine Distanz von 30 Kilometern am Stück gewandert sind. Für viele sei dies eine Erfahrung, die Lust auf mehr mache.

 

Ultrawandern ist vielseitig und Menschen erfreuen sich aus ganz unterschiedlichen Gründen daran. Sei es zuliebe der eigenen Fitness und Gesundheit, aus Freude an der Geselligkeit, an der persönlichen Herausforderung oder aus einem ganz anderen Grund – das sportlich-anspruchsvolle Wandererlebnis hat vollkommen zurecht einen Platz in den Herzen vieler Wandernden gefunden.

Von klein und familiär bis zum kommerziellen Großevent

Veranstaltungen im Bereich des Ultrawanderns gibt es mittlerweile in ganz Deutschland. Von eher kleinen, familiären Wanderungen bis hin zu überregionalen Großveranstaltungen, bei denen hunderte Menschen die persönliche Herausforderung suchen, ist für jeden Geschmack etwas dabei. Je nach Veranstaltung unterscheiden sich auch die Rahmenbedingungen. So gibt es insbesondere bei Großveranstaltungen nicht nur die Verpflegung an den Versorgungsstationen, sondern auch einen Shuttle-Service, einen Gepäcktransport, einen Starter-Beutel und vieles mehr. Bei Veranstaltungen im kleineren Rahmen gibt es diese Serviceleistungen seltener – was keinesfalls ein Mangel sein muss. Gerade Vereinsveranstaltungen sind oft liebevoll von Ehrenamtlichen organisiert und laden dazu ein, sich Zeit zu nehmen und das Erlebnis in vollen Zügen zu genießen. Auch Walter Sittig schätzt solche Veranstaltungen. Seiner Meinung nach zeigen gerade sie einen Vorteil, den Wanderungen im Verein gegenüber kommerziell organisierten (Groß-)Veranstaltungen haben: Es geht nicht darum, wer als Erste*r das Ziel erreicht, sondern darum ein tolles Erlebnis in schönen Landschaften für alle zu schaffen. Nach seinen Erfahrungen wird dies von den Teilnehmenden geschätzt.

Ultrawandern im Frankenwald: der FRANKENWALD Wandermarathon

Im Frankenwald findet sich ein besonders schönes Beispiel für eine von Ehrenamtlichen mitgestaltete Ultrawanderveranstaltung: der FRANKENWALD Wandermarathon. Er ist 2012 aus einer Kooperation des Frankenwaldvereins mit dem Frankenwald Tourismus Service Center entstanden und wird seitdem von beiden Organisationen jährlich veranstaltet. Die gute Zusammenarbeit war (und ist) entscheidend für den Erfolg der Veranstaltung. Julia Rubsch, hauptamtliche Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Frankenwaldvereins e.V., beschreibt es so: „Wir arbeiten als Partner für das Wandern im Frankenwald eng zusammen. Das Frankenwald Tourismus Service Center ist Hauptorganisator und Veranstalter des Events. Ohne dessen Arbeit gäbe es den FRANKENWALD Wandermarathon nicht“. 

 

Mittlerweile hat die Veranstaltung eine riesige Fangemeinde. Die 600 angebotenen Tickets sind jedes Jahr in Rekordzeit vergriffen. Wenig überraschend, denn der FRANKENWALD Wandermarathon führt durch eine der schönsten Wanderregionen Deutschlands. Doch es gibt noch mehr, das dieses Event so einzigartig macht: Entlang der Strecke warten Erlebnisstationen darauf, den Teilnehmer*innen mit kleinen Mitmachaktionen, Verköstigungen und anderen tollen Angeboten ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern. Für die Erlebnisstationen sollen sich die Teilnehmer*innen ausreichend Zeit nehmen können, deshalb wurde ganz bewusst auf eine Zeitmessung verzichtet. Damit niemand befürchten muss, unterwegs zurückzubleiben, gibt es einen Shuttle Service, der Wandernde auf Wunsch ein Stück des Weges mitnimmt.

 

Bei den Teilnehmer*innen kommt das Konzept des FRANKENWALD Wandermarathons gut an. Julia Rubsch erklärt, dass gerade die Mischung aus anspruchsvollem Wandern, den Erlebnisstationen, der liebevollen Organisation und dem guten Miteinander das Event zu einem tollen Erlebnis mache. Mittlerweile sei die Gruppe der Teilnehmenden bunt gemischt: Nicht nur aus Deutschland, auch aus dem europäischen Ausland reisen Wanderbegeisterte an, um daran teilzunehmen. Und neben langjährigen Fans sind auch immer wieder Menschen dabei, die zum ersten Mal beim FRANKENWALD Wandermarathon mitmachen.

Der FRANKENWALD Wandermarathon findet jedes Jahr in einer anderen Kommune des Frankenwalds statt. Die Ortsgruppen des Frankenwaldvereins kümmern sich jeweils darum, eine geeignete Strecke auszuwählen, und bringen auf diese Weise ihr Know how und ihre Erfahrungen ein. Die Veranstaltung ist somit eine gute Gelegenheit, um die tolle Arbeit der Ehrenamtlichen in den Fokus zu rücken. Frankenwald Tourismus bringt seinerseits seine Kompetenzen ein, organisiert, plant und kümmert sich darum, dass die Veranstaltung beworben wird. Die Kooperation aus Wanderverein und Tourismusorganisation ist somit eine Win-Win-Situation. Julia Rubsch beschreibt das so: „Das Miteinander wird gestärkt! Oft entwickelt sich zwischen verschiedenen Ortsgruppen eine tolle Zusammenarbeit. Die Vereine können durch das Event auf sich aufmerksam machen und gewinnen so neue Mitglieder. Und nicht zuletzt profitieren sie von der Vernetzung mit Tourismusorganisationen.“

„Das Miteinander wird gestärkt! Oft entwickelt sich zwischen verschiedenen Ortsgruppen eine tolle Zusammenarbeit. Die Vereine können durch das Event auf sich aufmerksam machen und gewinnen so neue Mitglieder. Und nicht zuletzt profitieren sie von der Vernetzung mit Tourismusorganisationen.“
Julia Rubsch (Frankenwaldverein e.V.)
Julia Rubsch, hauptamtliche Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Frankenwaldvereins e.V.

Auch Walter Sittig sieht in der Kooperation mit lokalen Tourismusorganisationen eine Möglichkeit für Wandervereine, sich Unterstützung bei der Organisation von Wander-Events zu holen. Eine wirklich gelungene Wanderveranstaltung zu organisieren, bei der die Gesundheit und das Wohlbefinden der Teilnehmer*innen im Zentrum stehen, ist sehr aufwendig. In diesem Zusammenhang sei es sinnvoll zu überlegen, ob Ehrenamtliche diesen Aufwand allein stemmen können oder ob nicht besser sei, ihn auf mehrere Schultern zu verteilen.

Ultrawandern als Vereinsaktivität: Neue Wanderangebote schaffen

Ultrawandern – davon ist Walter Sittig überzeugt – ist Teil der ganzen Vielfalt, die der Begriff Wandern umfasst. Er wünscht sich, dass Wandervereine diese Vielfalt darstellen: „Jede Form des Wanderns hat ihre Berechtigung – das Wandern auf längeren Strecken ebenso wie das auf kürzeren. Wenn Wandervereine diese ganze Vielfalt sicht- und erlebbar machen, ist das ein wunderbare Sache!“

„Jede Form des Wanderns hat ihre Berechtigung – das Wandern auf längeren Strecken ebenso wie das auf kürzeren. Wenn Wandervereine diese ganze Vielfalt sicht- und erlebbar machen, ist das ein wunderbare Sache!“
Walter Sittig
Walter Sittig, ehemaliger Geschäftsführer des Deutschen Wanderverbands

Mit einem Angebot im Bereich des sportlich-anspruchsvollen Wanderns können Vereine interessierte Menschen ansprechen. Insbesondere jüngere, sportbegeisterte Menschen seien von dem Thema Ultrawandern oft sehr angetan, berichtet Michael Martin-Leck. Und wer einmal begeistert bei einem Ultrawanderevent dabei war, hat vielleicht auch Lust an Vereinswanderungen teilzunehmen. Für die Vereine kann das ein willkommenes „Fresh Up“ sein.

 

Das gemeinsame Wandern über lange Distanzen ist zudem eine gute Möglichkeit, die eigene Heimat kennenzulernen bzw. neu zu entdecken. Für Walter Sittig gehört es zu den zentralen Aufgaben von Wandervereinen, Menschen einen Zugang zu ihrer Heimat zu vermitteln, und dies funktioniere seiner Ansicht nach auch mit Ultrawanderungen sehr gut, weil über eine längere Strecke ein größeres Gebiet kennengelernt werden kann. Das bestätigt auch Julia Rubsch. Der FRANKENWALD Wandermarathon sei auch für Menschen, die vor Ort leben, eine tolle Gelegenheit, um die Region immer wieder neu zu entdecken.

 

Doch muss nun jeder Verein ein eigenes Ultrawander-Event ausrichten? Keinesfalls, findet Michael Martin-Leck. Ein erster Schritt sei es, das Thema intern an die Vereinsmitglieder heranzutragen und so bekannter zu machen. Vielleicht findet sich dann eine Gruppe interessierter Vereinsmitglieder, die – ganz unabhängig von offiziellen Wanderevents - regelmäßig gemeinsam längere, sportlich-anspruchsvolle Wanderungen unternehmen. Im Schwarzwaldverein gibt es z.B. mehrere Ortsvereine, die sich zusammenschließen und regelmäßig gemeinsam sportliche Wanderungen organisieren und durchführen. Auch Walter Sittig organisiert mit seinem Helferteam des Schwarzwaldverein-Ortsvereins Freiburg-Hohbühl jedes Jahr einen Wandermarathon. Wenn es im Verein Interesse an der Ausrichtung eines Ultrawander-Events gebe, aber bisher noch niemand Erfahrungen in diesem Bereich hat, könne zunächst auch mit einer Wanderveranstaltung, bei der eine kürzere Distanz erwandert werden soll, gestartet werden. So kann ausprobiert werden, was gut funktioniert, Spaß macht und für alle Beteiligten gut umsetzbar ist. Michael Martin-Leck betont, dass insbesondere zu festen Terminen wiederkehrende Wander-Events (z.B. einmal im Jahr an einem bestimmten Tag) einen Wiedererkennungswert schaffen, von dem Vereine enorm profitieren können.

 

Es gibt also nicht den einen Weg, wie sich Wandervereine dem Thema Ultrawandern nähern können. Vielmehr gilt es gemeinsam zu überlegen, welchen Platz es im Verein finden kann.