Auch wenn große Reisen zu Ostern in diesem Jahr nicht möglich sind, die Sehnsucht nach einer Auszeit ist groß. Inspiration für einen Ausflug bietet die Vielzahl an Kunst- und Kulturwanderwegen vor der eigenen Haustür. Nicht nur, aber besonders in den Städten. So können zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys, viele Arbeiten des berühmten Künstlers bei einer Wanderung oder einem Spaziergang erlebt werden.

Am 12. Mai wäre Joseph Beuys 100 Jahre alt geworden. Der in Krefeld geborene und 1986 in Düsseldorf gestorbene Aktionskünstler war zugleich Bildhauer, Zeichner, Kunsttheoretiker und Professor an der Kunstakademie Düsseldorf. Beuys forderte ein kreatives Mitgestalten an der Gesellschaft und in der Politik. Er wurde zum Inbegriff der Avantgarde, zog viele Menschen in seinen Bann und hinterließ ein umfangreiches Lebenswerk von Weltruhm. Der Künstler wollte immer raus aus dem Museum. Davon profitieren nun alle, die Joseph Beuys bei einer Wanderung oder einem Spaziergang erleben wollen.

 

In Kassel führt ein ganzes Buch auf die Spuren des Künstlers. Zur documenta 7 begann Beuys 1982 in der Stadt das Landschaftskunstwerk „7.000 Eichen – Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. Mit der Hilfe von freiwilligen Helfer*innen pflanzte er im Verlauf mehrerer Jahre 7.000 Bäume zusammen mit jeweils einem begleitenden Basaltstein an unterschiedlichen Standorten. 

 

Heute verdankt die Stadt dieser ökologischen Intervention des Künstlers ein weltweit einmaliges organisches Kunstwerk, das mit seiner enormen Ausdehnung das gesamte Stadtgebiet durchzieht. Beuys' Bäume begegnen den Bürgerinnen und Bürgern heute auf alltäglichen Wegen, zuweilen auch an eher unwirtlichen Orten. Grüne Alleen und Verwaldungsinseln sind gewachsen. 

 

Ehemals triste historische Industriearbeiterviertel haben dank Bäumen und Basaltsteinen ihr Antlitz verändert. Sogar lautstarke Umgehungsstraßen wirken nach Beuys' „Verwaldung“ zugänglicher. All dies können die Menschen in Kassel, können Touristen und Ausflügler jetzt mit „Beuys to go – Unterwegs zu 7.000 Eichen“ aus dem euregioverlag nacherleben oder ganz neu für sich entdecken. Die dort beschriebenen sieben zwischen drei und sieben Kilometer langen thematischen Routen führen durch 15 Stadtteile Kassels. Das Buch birgt eine Fülle von Informationen rund um das Kunstwerk und darüber hinaus: wie alles anfing, welche Hürden zu überwinden waren und wie 7.000 Bäume bis heute im urbanen Umfeld ihre Wirkung entfalten.

Ähnlich wie in Kassel lässt sich Beuys anlässlich seines 100. Geburtstages an vielen anderen Orten erleben. In Düsseldorf etwa, wo der „Mann mit Hut“ studierte und über zehn Jahre als Professor lehrte, führt der Stadtführer „Mit Beuys durch Düsseldorf" an die Plätze, an denen der gebürtige Krefelder gewirkt, ausgestellt, gelebt und gestritten hat. 

 

Autor Dietmar Schönhoff streift in seinem Buch all die Ausstellungs- und Aktionsorte wie das „Spoerri“ am Burgplatz, ein Restaurant mit angeschlossener „Eat Art Gallery“, wo Beuys im Oktober 1970 sein „Freitagsobjekt 1A gebratene Fischgräte (Hering)“ inszenierte. „Er hängte die Gräten, die er skelettiert und gebraten von Zuhause mitgebracht hatte, mit Bindfäden an die Bilderleisten der Galerie, beschmierte sein Gesicht mit Asche und begann, Zertifikate für den Verkauf der Fischgräten herzustellen“, berichtet Schönhoff. Wer will, kann sich direkt mit dem Autor auf den Weg machen. „Zu Beuys in Düsseldorf biete ich eine zweistündige Tour durch Carl- und Altstadt an, während der alle Orte besucht werden, an denen Beuys gewirkt hat“, so Schönhoff.

 

Darüber hinaus wird die Stadt am Rhein, wenn es die Corona-Pandemie zulässt, ihren Besuchern jede Menge weitere Angebote zu Beuys machen. Lisa Knoch von der Düsseldorf Tourismus GmbH: „Wir planen umfassenden Content zu Joseph Beuys, welchen wir auf unserer Website sowie dem Blog gebündelt veröffentlichen werden. Beuys spielt eine besondere Rolle für die Stadt Düsseldorf und deshalb werden in diesem Zusammenhang verschiedene Aktivitäten in und um Düsseldorf geplant. Dabei ist die Ausstellung 'Jeder Mensch ist ein Künstler' in der Kunstsammlung K20 von großer Bedeutung, welche voraussichtlich vom 27. März bis 15. August 2021 stattfinden wird.“ 

 

Zusätzlich werde Düsseldorf Tourismus eine Stadtführung mit dem Thema „Beuys & Bike“ konzipieren. Geplant ist eine Fahrradroute vom Niederrhein bis nach Düsseldorf. Auch im Kreis Kleve, wo Beuys aufgewachsen ist, lassen sich seine Spuren zu Fuß erleben. Hier bietet das Büchlein „Joseph Beuys am Niederrhein: Eine Wegleite“ von Franz Joseph van der Grinten Orientierung. Dort ist verzeichnet, welche Orte zwischen Nimwegen und Kalkar mit Beuys in Verbindung stehen.

 

Auch unabhängig vom weltweit wohl bedeutendsten Aktionskünstler des 20. Jahrhunderts erfahren Kunstwander- oder Spazierwege gerade einen Boom. In Thüringen etwa führt ein zwölf Kilometer langer Wanderweg mit mehr als 120 Skulpturen am Wegesrand von Behringen nach Hütscheroda. In Brandenburg gibt es mit dem Kunstwanderweg Hoher Fläming ein ganzes System von Skulpturenwegen, das die Bahnhöfe von Bad Belzig und Wiesenburg/Mark verbindet. 

 

An der Mosel widmet sich der 21 Kilometer lange Stefan-Andres-Wanderweg von Schweich nach Leiwen-Zummet dem gleichnamigen Schriftsteller, der als Schauplatz vieler seiner Werke Orte an der Mosel auswählte. Auch viele Städte entdecken Kunstwege zunehmend, um bei Einheimischen und Gästen für sich zu werben. In Berlin etwa gibt es Führungen über die Museumsinsel, die den Außenraum beinhalten, aber auch in die Museen führen. „Allerdings finden im Moment wegen Corona keine Präsenz-Veranstaltungen statt“, so Fabian Fröhlich von den Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz. In der Region Stuttgart gibt es eine Reihe von Kunstwegen. Die Stadt Waiblingen im Remstal etwa bietet mit dem TalaueKunst-Weg eine Galerie unter freiem Himmel. 

 

Der „Qualitätsweg Wanderbares Deutschland – komfortwandern“ führt 4,5 Kilometer durch die historische Altstadt und präsentiert Kunstwerke von internationalem Rang. In Duisburg gibt es etwa mit dem „Kantpark“ und der „Rheinorange“ jede Menge Kunst im öffentlichen Raum, die sich während kleinerer Wanderungen erleben lässt. Nicht weit davon schuf der Kölner Street-Art-Künstler „seiLeise“ (Tim Ossege) im Januar diesen Jahres eine Street-Art-Route entlang des rechtsrheinischen Ufers zwischen Deutzer Werft und Stammheimer Skulpturenpark. Auf dieser Spazierroute in Köln-Mülheim ist an den unterschiedlichsten Orten versteckte Street Art zu entdecken. Seine Aktion betitelt „seiLeise“ daher auch als „Street Art Schnitzeljagd“, die angesichts der Corona-Einschränkungen in Theatern und Museen auf Kunst und Kultur aufmerksam machen soll.